Mit 30 Treffern nach 24 Spielen führt Arne Wessels von der SpVg Schonnebeck die bundesweite Wertung der Torjägerkanone für alle in der 5. Liga an. Der erst 19 Jahre alte Angreifer, der demnächst für die U 23 von Borussia Dortmund stürmen wird, ist in der Oberliga auf Rekordjagd. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht Wessels über die Torjägerkanone, Rituale und seinen großen Traum vom Profifußball.
FUSSBALL.DE: In Ihrer ersten Seniorensaison haben Sie mit 30 Treffern fast ein Drittel aller Tore von Tabellenführer SpVg Schonnebeck erzielt. Zuletzt gelangen Ihnen beim 9:0-Kantersieg beim FC Büderich vier Treffer in nur 23 Minuten. Ist das ein Novum oder mittlerweile normal, Herr Wessels?
Arne Wessels: Tatsächlich sind mir in so einem kurzen Zeitraum noch nie so viele Treffer nacheinander gelungen. Während der Hinrunde hatte ich schon zwei Spiele, in denen ich vier- und sogar fünfmal geknipst hatte. Aber die Treffer lagen zeitlich weiter auseinander.
Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wessels: Meine gute Torquote liegt ganz sicher nicht nur an mir. Ich habe unglaublich gute Mitspieler an meiner Seite, die fußballerisch über viel Qualität verfügen. Außerdem funktionieren wir als Kollektiv super. Davon profitiere ich ungemein.
Haben Sie ein bestimmtes Ritual vor dem Anpfiff?
Wessels: Ich mache mir grundsätzlich keinen Druck, gehe mit sehr viel Selbstvertrauen in jedes Spiel. Mit Innenverteidiger Thorben Kern habe ich ein kleines Ritual vor jedem Spiel aufgebaut: Wir lassen uns eine Stunde vor dem Treffpunkt von unseren Physiotherapeuten behandeln. Auch auswärts ziehen wir dieses Ritual konsequent durch. Bisher sind wir damit gut gefahren. (lacht)
Nicht nur in der Oberliga Niederrhein, sondern auch bundesweit führen Sie die Statistik für die Torjägerkanone für alle an. Wie heiß sind Sie auf den Gewinn der Trophäe?
Wessels: So etwas im ersten Seniorenjahr zu schaffen, wäre sensationell. Für mich wäre es in meiner noch jungen Karriere die erste individuelle Auszeichnung, über die ich mich riesig freuen würde. Natürlich bin ich jetzt auch heiß auf den Titel. Wesentlich wichtiger ist mir aber die Meisterschaft und der Aufstieg mit der SpVg Schonnebeck in die Regionalliga West.
Sie haben in der Jugend auch für Rot-Weiss Essen, den FC Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf gespielt, sind dann aber zur SpVg Schonnebeck zurückgekehrt. Warum?
Wessels: Ich bin ein Mensch, der sich auf und neben dem Platz wohlfühlen muss, um gute Leistungen zu bringen. Diese Voraussetzungen sind in Schonnebeck gegeben. Beim FC Schalke 04 ging es nicht weiter, weil ich angeblich zu schmächtig war. Danach bin für ein halbes Jahr zu RWE gewechselt, kam aber mit dem Trainer nicht klar. Ich war am Boden zerstört, hatte kein Selbstvertrauen, wollte sogar mit dem Fußball aufhören. Ich saß weinend in meinem Kinderzimmer. Plötzlich stand mein aktueller Trainer Dirk Tönnies, der schon damals in Schonnebeck tätig war, bei uns im Türrahmen, hat sich mit mir unterhalten und mir die Freude am Fußball zurückgegeben. Nach der Corona-Pandemie bin ich in die U 17 von Fortuna Düsseldorf gewechselt und anschließend in die U 19 von Schonnebeck zurückgekehrt. Seitdem ging es steil aufwärts.
In der vergangenen Saison hatten Sie als A-Jugendlicher bereits 18 Einsätze für die erste Mannschaft in der Oberliga absolviert, aber nur einen Treffer erzielt. Wie erklären Sie sich Ihre Leistungsexplosion?
Wessels: Vielleicht kam ich mit der Doppelbelastung nicht so gut zurecht. Für die A-Jugend war ich in der Regel um 11 Uhr im Einsatz, stand dann um 15 Uhr im Kader der Oberligamannschaft. Das hat dann nicht immer funktioniert. Jetzt kann ich mich voll und ganz auf eine Sache konzentrieren.
In welchen Bereichen haben Sie intensiv an sich gearbeitet?
Wessels: Unter der Woche habe ich viele Extraschichten eingelegt, stand fast jeden Tag auf dem Fußballplatz. Auf meinem persönlichen Trainingsplan standen vor allem Antrittsschnelligkeit und Abschlusstraining. An jedem Punkt im Strafraum hatte ich gefühlt einen Ball platziert, den ich auf das Tor geschossen habe. Das hat mir in den Spielen brutal geholfen, weil ich dadurch sehr viel Selbstvertrauen aufbauen konnte.
Wie würden Sie Ihre besonderen Qualitäten beschreiben?
Wessels: Ich bin schnell, habe auch eine ganz gute Schusstechnik. Fußballerisch kann ich ein Spiel ganz gut lesen.
Welchen Anteil hat Ihr Trainer Dirk Tönnies an Ihrer Entwicklung?
Wessels: Ohne Dirk Tönnies wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin. Er hat mir immer den Rücken gestärkt und nie den Grund gegeben, an mir zu zweifeln. Außerdem ist sein Sohn Conor, der in dieser Saison auch schon 21 Treffer für uns erzielt hat, mein bester Freund.
In der Oberliga Niederrhein steht Ihr Klub kurz vor dem erstmaligen Aufstieg in die Regionalliga West. Wie sicher waren Sie, das Ziel nach der Vizemeisterschaft im Vorjahr diesmal erreichen zu können?
Wessels: Davon war ich total überzeugt, weil die Mannschaft nach der Vizemeisterschaft zusammengeblieben ist. Von Vereinsseite haben wir keinen Druck, können auch mal ein Spiel verlieren, ohne dass intern gleich Panik ausbricht. Wir arbeiten seit zwei Jahren in dieser Konstellation zusammen und sind gut eingespielt, was sich bei den Abläufen ganz klar bemerkbar macht.
Die SpVg Schonnebeck kann auch einen neuen Oberligarekord aufstellen. Mit bislang 91 Toren fehlen in den verbleibenden acht Partien nur noch zwölf Treffer, um die Bestmarke des 1. FC Bocholt aus der Saison 2021/2022 zu überbieten. Spornt Sie das zusätzlich an?
Wessels: Wenn wir am Ende aufsteigen und dann auch noch den Rekord des 1. FC Bocholt knacken, wäre das die Kirsche auf der Sahnetorte.
In der kommenden Spielzeit werden Sie für den Drittligisten Borussia Dortmund II auf Torejagd gehen. Was hat Sie von der neuen Aufgabe überzeugt?
Wessels: Der BVB hat sich sehr um mich bemüht. Der Sportliche Leiter Ingo Preuß und U 23-Trainer Jan Zimmermann haben mir ein gutes Gefühl gegeben. Sie waren allein dreimal bei uns in Schonnebeck auf der Platzanlage, haben sich die Spiele angeschaut. Meine Mutter steht mit ihren Freundinnen am Spieltag am Kuchenstand, und beide haben auch dort vorbeigeschaut. Dass Ingo Preuß später bei uns zu Hause am Küchentisch saß und mir das Gefühl vermittelte, mich unbedingt holen zu wollen, ist nicht selbstverständlich.
Sind Sie auch BVB-Fan?
Wessels: Ich habe große Sympathien für den BVB. Meine Mutter Michaela ist auch in Dortmund geboren und großer BVB-Fan.
Wie groß ist der Traum, irgendwann vor vollem Haus für die Profis aufzulaufen?
Wessels: Wenn man sich für die U 23 von Borussia Dortmund entscheidet, träumt natürlich jeder Spieler davon. Aber es ist ein weiter Weg aus der Oberliga in die Bundesliga. Ich werde auf jeden Fall hart daran arbeiten, diesen Traum am Leben zu halten.
Wie sehr haben Sie die Tabelle in der 3. Liga im Blick?
Wessels: Seit meiner Vertragsunterschrift im Dezember schaue ich mir jedes Heimspiel der U 23 von Borussia Dortmund an, bin vor einer Woche sogar zur Auswärtspartie nach Mannheim gefahren. Ich suche ganz bewusst die Nähe zum Team, möchte schon ein bisschen reinschnuppern. Ich bin davon überzeugt, dass die U 23 des BVB am Ende über dem Strich stehen und den Klassenverbleib perfekt machen wird.
Mit der SpVg Schonnebeck steht nun das Topspiel gegen den Tabellenzweiten SC St. Tönis 11/20 auf dem Programm. Aktuell beträgt der Abstand fünf Punkte. Könnte bereits eine Vorentscheidung im Aufstiegsrennen fallen?
Wessels: Wir können mit einem Sieg auf jeden Fall einen großen Schritt in diese Richtung machen. Für eine Vorentscheidung ist es allerdings noch zu früh, weil auch danach noch sieben Spiele zu absolvieren und 21 Punkte zu vergeben sind.