Maier beim VfB: "Eine Herzensangelegenheit"
Eigentlich hatte Leonie Maier eine Entscheidung getroffen: Die 79-malige deutsche Nationalspielerin hatte im vergangenen Sommer beschlossen, ihre Karriere zu beenden. Aber dann kam eine Anfrage des VfB Stuttgart - und der 32-Jährigen war schnell klar, dass sie ihren Rücktritt um ein Jahr aufschieben muss. Im FUSSBALL.de-Interview erklärt Maier, warum nur der VfB sie zu diesem Schritt bewegen konnte und wie es nun weitergehen wird.
FUSSBALL.DE: Leonie Maier, im Sommer hatten Sie verkündet, Ihre Karriere zu beenden. Nun spielen Sie für den VfB Stuttgart in der Regionalliga Süd. Was hat den Ausschlag für diesen Sinneswandel gegeben?
Leonie Maier: Ich hatte im Sommer aufgrund von verschiedenen Verletzungen und chronischer Beschwerden aufgehört. Als dann die Anfrage des VfB kam, habe ich ganz transparent meine Situation geschildert und erklärt, dass ich nicht weiß, ob mein Körper die Belastung noch mitmacht. Da ich auch beruflich beim VfB einsteigen möchte, habe ich aber gleichzeitig auch betont, dass ich mir durchaus noch mal ein Comeback vorstellen könne. Es ist für mich wirklich eine Herzensangelegenheit, für den VfB Stuttgart zu spielen. Es geht ein Kindheitstraum für mich in Erfüllung. Ich bin stolz darauf, jetzt das Trikot des VfB tragen zu dürfen und Teil der VfB-Frauengeschichte sein zu dürfen.
Was bedeutet es Ihnen, für den VfB Stuttgart zu spielen? War der VfB der einzige Verein, für den Sie diesen Schritt gemacht hätten?
"Kein anderer Verein hätte mich zum Rücktritt vom Rücktritt bewegen können - ich war schon als Kind VfB-Fan, und das hat sich bis heute nicht geändert"
Maier: Die zweite Frage kann ich ganz eindeutig mit Ja beantworten. Kein anderer Verein hätte mich zum Rücktritt vom Rücktritt bewegen können. Wie ich schon gesagt habe, bedeutet mir das sehr viel. Ich war schon als Kind VfB-Fan, und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich freue mich sehr, dass der VfB jetzt endlich auch eine Frauenmannschaft hat und alle Mädchen in der Region die Möglichkeit haben, für so einen tollen Verein zu spielen - und das auch noch auf hohem Niveau.
Wie hat Ihr Körper auf die Belastung bisher reagiert?
Maier: Es geht mir wirklich gut, ich kann fast alles problemlos mitmachen. Natürlich sind die Beschwerden nicht komplett weg. Damit war auch nicht zu rechnen. Aber es tut mir gut, mit den Mädels auf dem Platz zu stehen. Mein Körper verkraftet die Belastung im Großen und Ganzen überraschend gut.
Wie haben Sie die ersten Wochen und Monate beim VfB erlebt?
Maier: Sehr positiv. Ich bin vom ersten Tag an sehr herzlich und positiv aufgenommen worden. Ich fühle mich hier total wohl. Es macht Spaß, Teil dieser Gruppe zu sein.
Welche Ziele verfolgen Sie beim VfB Stuttgart mit dem Frauenfußball?
Maier: Wir sind jetzt Tabellenführer und wollen diese Position bis zum Schluss verteidigen. Natürlich ist es unser Ziel, so schnell wie möglich den Sprung in die 2. Bundesliga zu schaffen. Am liebsten schon in dieser Saison. Aber die bisherigen Begegnungen haben auch gezeigt, dass es kein Selbstläufer sein wird. Klar ist aber, dass wir über ausreichend Qualität im Kader verfügen, um unsere Ziele zu erreichen. Dafür werden wir in den kommenden Wochen und Monaten hart arbeiten.
Unter anderem spielt auch Mandy Islacker für den VfB und trifft Woche für Woche. Was bedeutet es Ihnen, mit Mandy Islacker zusammenzuspielen, mit der Sie 2016 bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille gewonnen haben?
Maier: Mandy ist einfach eine überragende Torjägerin und ein ganz toller Mensch. Ich hätte niemals gedacht, dass ich irgendwann noch mal mit Mandy gemeinsam bei meinem Herzensverein spielen werde. Ich denke gerne an die Zeit zurück, als wir gemeinsam beim FC Bayern und auch für die deutsche Nationalmannschaft gespielt haben. Sie ist mir einfach ans Herz gewachsen und eine enge Freundin geworden.
Wie haben Sie die Zeit ohne Fußball erlebt? Was hat Ihnen am meisten gefehlt?
Maier: Es war ja kein langer Zeitraum, in dem ich nicht Fußball gespielt habe. Für mich hat es sich eher wie eine verlängerte Sommerpause angefühlt. Und diesen Zeitraum habe ich sehr genossen. Ich war beispielsweise fast vier Wochen mit meinem Freund im Urlaub. Diese Möglichkeit hatte ich vorher eigentlich nie. Aber dann kam auch ziemlich schnell die Anfrage des VfB. Ich hatte gar keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, dass das Kapitel Profifußballerin tatsächlich abgeschlossen sein könnte.
Haben Sie dennoch irgendwann gemerkt, dass es doch zu früh ist, um die Karriere zu beenden?
Maier: Nein, dieses Gefühl hat nicht eingesetzt. Dafür war die Zeit zwischen dem Ende in Hoffenheim, wo ich ja zuletzt gespielt hatte, und dem Beginn in Stuttgart tatsächlich zu kurz.
Wie schauen Sie heute mit etwas Abstand auf Ihre Karriere zurück? Was waren Höhepunkte? Was hätte besser laufen können?
Maier: Ich kann wirklich sagen, dass ich auf eine unvergessliche, schöne und vor allem erfolgreiche Zeit zurückblicke. Nichts davon möchte ich missen. Ich habe es immer als Privileg gesehen, Profifußballerin zu sein und auch für die Nationalmannschaft aufzulaufen und Erfolge zu feiern. Ich konnte das zum Beruf machen, was mir am meisten Spaß gemacht hat. Davon habe ich als kleines Kind geträumt. Ich bin unglaublich stolz, aber auch dankbar für die Unterstützung, die ich immer und überall erfahren habe.
Wie denken Sie vor allem auch über Ihre Zeit in der Nationalmannschaft?
Maier: Ich habe tolle Menschen dort kennengelernt. Es sind Freundschaften entstanden, die über den Fußball hinaus gehen. Vor allem habe ich so auch die Möglichkeit bekommen, die Welt und fremde Kulturen kennenzulernen. Es hat viele Momente gegeben, die unvergesslich bleiben werden.
Zum Beispiel?
Maier: Es fällt mir schwer, jetzt einen Titel herauszuheben. Jeder war auf seine Art besonders. Aber natürlich sticht der Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio heraus. Wenn ich an die Zeit damals zurückdenke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Das war wirklich außergewöhnlich.
Was macht dieses Event aus?
Maier: In vier Wochen kommen an einem Ort Sportlerinnen und Sportler aus allen Ländern der Welt zusammen. Das Gemeinschaftsgefühl, das dort herrscht, ist kaum in Worte zu fassen. Außerdem ist es etwas ganz Besonderes, für sein Land die Goldmedaille zu holen.