Berliner Sechstligist Polar Pinguin: Es begann als Thekenmannschaft
Polar Pinguin aus Berlin wurde 1990 aus einer Schnapslaune von Punkrockern in einem Schöneberger Club gegründet. Zunächst - passenderweise - als Thekenmannschaft. Inzwischen ist der Klub seit acht Jahren im offiziellen Spielbetrieb dabei. Mit 14 Teams. Der Verein ist sportlich ambitioniert, aber noch viel wichtiger ist den Verantwortlichen, gesellschaftlich engagiert zu sein. Wo kommt der Name her? Und was macht den Verein darüberhinausgehend so besonders?
Wenn die Fans bei den Heimspielen ihre Gesänge anstimmen, wird es besonders. Sie singen dann zum Beispiel: "Uns regiert ein Pinguin". Oder auch: "Eines Tages wird’s geschehen, und dann fahren wir nach Mailand, um den Pinguin zu sehen - Europapokal, Europapokal!" Gut, vom Europapokal sind die Fußballer*innen des Berliner Sportvereins Polar Pinguin noch sehr weit entfernt. Lustig wäre es aber schon, den Pinguin in Mailand, Madrid oder Kopenhagen zu sehen.
Geburtsstunde im "Pinguin Club"
Aber was ist Polar Pinguin überhaupt? Lukas Blaß ist Sportlicher Leiter in der Fußballabteilung. Der 34-Jährige klärt auf: "Die Idee für Polar Pinguin kam ein paar Hobbyfußballern in der Berliner Kult-Kneipe 'Pinguin Club'. Das war 1990, mein Vater war damals auch dabei. Das war die Geburtsstunde von Polar Pinguin." In diesem Jahr feiert der Klub mit einem der wohl ungewöhnlichsten Namen in Deutschland seinen 35. Geburtstag.
"Gosto" ist einer der Gründer von Polar Pinguin und noch immer bei jedem Spiel der ersten Mannschaft dabei. Aus seinem Stolz über die Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit macht er keinen Hehl: "Es ist unglaublich, was sich hier aus unserer kleinen Idee entwickelt hat. Das hätte ich wirklich niemals für möglich gehalten. Wir waren einfach eine Gruppe von Jungs, die einigermaßen organisiert Fußball spielen wollten." Aber wie kam es konkret zu dieser Entwicklung?
Die kleine Kneipe im Stadtteil Schöneberg in der Wartburgstraße, in der früher regelmäßig Musiker wie "Die Ärzte" oder "Die Toten Hosen" vorbeischauten, war das Stammlokal einer Fußballergruppe, die sich regelmäßig zum Kicken auf der Reichstagswiese traf. Wäre damals Rita Süssmuth nicht Präsidentin im Bonner Bundestag und somit auch Hausherrin im Berliner Bundestag gewesen, wäre Polar Pinguin wahrscheinlich nie gegründet worden. Sie war es nämlich, die den Einfall hatte, die Reichstagswiese mit Rosenbüschen zu bepflanzen und somit die zahlreichen Hobbykicker zu vertreiben, die sich zu dieser Zeit dort trafen.
Was also tun? Fußball vor dem Reichstag war nicht mehr möglich. Die Gründungsgeschichte klingt wie ein Märchen mit ein paar schrägen Typen: Torwart Schmidty hatte letztlich die entscheidende Idee und trommelte die Truppe im Pinguin Club zusammen. Zu dem Treffen kamen jedoch nur drei weitere interessierte Kicker. Nach einigen Bieren ließ Schmidty die Katze aus dem Sack und legte zwei Papiere auf den Tresen. Ein Standardformular zur Gründung eines Vereins und ein Antrag zur Aufnahme in den Verband für Freizeitfußball. Gosto, Schulze, Rainer, Lasche, Schmidty und seine Freundin Paula unterschrieben. Sechs Unterschriften, eine zu wenig. Zur Vereinsgründung braucht man sieben. Und jetzt?
Irgendwann gesellte sich Calli dazu. Er war Stammgast im Pinguin und interessierte sich für die kleine Runde, die nervös auf einen siebten Spieler wartete. Kurzentschlossen nahm er den Stift und setzte seinen Kringel drunter. Sieben Unterschriften - und somit rechtsgültig. Der Verein war geboren! Der "Pinguin Club" ist also so etwas wie der Brutkasten der Pinguine und gleichzeitiger Namensgeber.
Und warum der Zusatz "Polar"? "Der Verein brauchte ja in irgendeiner Form noch einen Vornamen, ich habe für eine ausgefallene Variante gekämpft", erzählt "Gosto". Und weiter: "1. FC Pinguin, Viktoria Pinguin oder Eintracht Pinguin waren einfach nicht passend. Also haben wir uns für Polar Pinguin entschieden. Bis heute bin ich glücklich darüber, denn diese Name ist in jeder Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal für uns."
Polar Pinguin ist vor allem in den vergangenen acht Jahren fast ohne Ende gewachsen. "Irgendwann hatten wir aber keine Lust mehr, ausschließlich in der Freizeitliga zu spielen", sagt Lukas Blaß, damals selbst Spieler in der Mannschaft. "Es soll nicht überheblich klingen, aber wir waren zu gut und zu ambitioniert dafür geworden. Wir haben also überlegt, wie es weitergehen könnte, und haben uns dazu entschieden, den Schritt in den geregelten Spielbetrieb zu machen."
"Bei uns wird nicht weggeschaut"
Das war 2015, seitdem ist viel passiert. Die Herrenmannschaft hat es bis in die sechstklassige Berlin-Liga geschafft - und das, ohne dass den Spielern Geld bezahlt würde. Besonders ist auch, dass der Eintritt zu den Begegnungen grundsätzlich frei ist. "Wir wollen Fußball für alle zugänglich lassen, deshalb nehmen wir keinen Eintritt", sagt Safa Semsary, die im Vorstand des Vereins die Themen Anti-Diskriminierung und Nachhaltigkeit koordiniert. Denn genau darauf legt man bei Polar Pinguin besonders viel Wert.
"Wir setzen uns für Grund- und Menschenrechte ein, bei uns wird nicht weggeschaut", so Semsary. "Wir wollen ein Ort sein, an dem sich jede Person wohlfühlen kann. Auch im Fußball müssen wir mit Rassismus, Homophobie und Sexismus umgehen. Wir möchten gerade in schwierigen Situationen in der Lage sein, Ungerechtigkeit zu benennen und uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Deshalb sprechen wir es konsequent an und suchen den Dialog dazu."
Wofür ihr Verein genau steht, haben die Verantwortlichen in einigen kurzen, aber prägnanten Sätzen zusammengefasst: Polar ist Sport. Polar ist Grätsche. Polar ist Tore. Polar ist Freude. Polar ist Zusammenhalt. Polar ist Vielfalt. Polar ist Solidarität. Polar ist Verantwortung. Polar ist Wertschätzung. Polar ist für Alle. Polar ist inklusiv. Polar ist laut. Polar ist kreativ. Polar ist anders. Polar ist einzigartig. Liebe ist einzigartig. Polar ist Liebe. Polar ist Polar.
Dass die Themen gut angekommen, zeigt sich auch an anderer Stelle: Inzwischen spielen mehr als 300 Menschen bei Polar Pinguin in allen Altersklassen Fußball. "Mir ist wichtig zu betonen, dass wir uns als Verein nicht über andere Vereine stellen", sagt Blaß. "Auch woanders wird großartige ehrenamtliche Arbeit geleistet. Auch woanders entstehen durch den Fußball Freundschaften, die für immer bestehen bleiben. Das ist bei uns so, aber auch in anderen Klubs. Und dennoch finde ich, dass wir in vielerlei Hinsicht ein besonderer Verein sind."
Und das eben nicht nur wegen des ungewöhnlichen Vereinsnamens - Polar Pinguin.