Schwangerschaft im Fußball:

Wie beeinflusst eine Schwangerschaft die aktive Fußballkarriere? Beim UEFA Medical Symposium referierte Eva Ferrer am DFB-Campus über die medizinischen Auswirkungen einer Schwangerschaft auf die Leistungsfähigkeit. Aktuell ist Ferrer im Expert*innengremium der UEFA für Frauengesundheit tätig. Im Interview mit FUSSBALL.DE spricht die ehemalige Teamärztin der Frauen-Mannschaft des FC Barcelona darüber, was schwangere Fußballerinnen beachten sollten.

FUSSBALL.DE: Kann die Fruchtbarkeit einer Fußballerin durch den Leistungssport verringert werden?

Eva Ferrer: Viele Sportlerinnen haben erst nach ihrer Karriere einen Kinderwunsch, sodass allein durch das fortschreitende Alter die Fruchtbarkeit sinken kann. Durch den Hochleistungssport und den mentalen Stress kann auch die Blutung während der Menstruation ausbleiben – eine sogenannte Amenorrhö. Das ist in anderen Sportarten, in denen die Ästhetik des Körpers im Vordergrund steht, noch deutlich extremer. Wenn man eine Amenorrhö hat, ist das ein klares Zeichen des Körpers, dass es dir nicht gut geht und die Sportlerin ihren Fokus auf ihre Gesundheit legen sollte.

Das Thema Schwangerschaft im Frauenfußball während der aktiven Karriere rückt immer mehr in den öffentlichen Fokus. Wie sieht der aktuelle Forschungsstand dazu aus?

Ferrer: Viele medizinische Forschungen und Studien zum Thema gibt es leider noch nicht, weshalb wir einige Lücken in der Forschung haben. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich dies in der Zukunft ändern wird. Im Sportumfeld von Vereinen und Verbänden steigt das Interesse, mehr über das Thema Schwangerschaft im Frauenfußball zu erfahren.

Gibt es trotzdem Empfehlungen, bis wann eine schwangere Fußballerin normal weiterspielen darf?

Ferrer: Sobald die Fußballerin von der Schwangerschaft weiß, sollte sie nicht mehr am normalen Spielbetrieb und somit am Wettbewerb teilnehmen. Das Risiko ist zu hoch, den Ball oder unter anderem den Ellbogen während eines Zweikampfs in den Bauch zu bekommen – das gilt natürlich auch für Torhüterinnen. Dennoch sollten sich Spielerinnen weiterhin fit halten und können auch allein mit Ball trainieren. Natürlich ist das nur der ärztliche Rat – eine Spielerin kann selbst entscheiden, ob sie weiterspielen möchte, wenn sie das Risiko bewusst eingeht.

Welche Risikofaktoren sind hierbei entscheidend?

Ferrer : Im ersten Trimester ist der Fötus durch das Becken geschützt, somit gibt es ein geringes Risiko einer Fehlgeburt. Danach ist der Schutz durch die anatomischen Veränderungen jedoch deutlich geringer, weil der Fötus wächst. Es ist deshalb umso wichtiger, diesen zu schützen. Das Problem im Fußball ist somit in erster Linie der Kontakt mit dem Ball oder einer Gegenspielerin – nicht das Spiel an sich. Andere Sportarten ohne Kontakt kann eine schwangere Athletin sicherlich länger ausführen.

Steigt durch die Schwangerschaft auch die Verletzungsanfälligkeit der Fußballerin?

Ferrer: Ja, absolut. Es gibt verschiedene Verletzungen, für die das Risiko steigt. Zum Beispiel wird das Gewebe einer Schwangeren durch das Hormon Relaxin weicher. Es sorgt dafür, dass die Gelenke während der Geburt nicht steif sind. Dadurch gibt es ein höheres Verletzungsrisiko im ganzen Körper, wenn die Spielerin rennt oder springt. Somit ist sie auch anfälliger für Verletzungen am Knie oder Knöchel.

Ab wann können Mütter nach der Entbindung mit dem Fußballtraining starten?

Ferrer: Es gibt die Empfehlung, rund 16 Wochen nach der Geburt wieder in das Fußballtraining einzusteigen. Je nachdem wie die Geburt verlaufen ist, sollte ab Tag eins, Bewegung in den Alltag integriert werden. Aber natürlich ist dies sehr individuell, weil nicht jede Frau – somit auch jede Schwangerschaft und Geburt gleich ist.

Gibt es Risikofaktoren im Training durch das Stillen?

Ferrer: Die Brüste einer Spielerin sind natürlich größer und sensibler. Somit schmerzen sie bei Zweikämpfen oder möglicherweise beim Springen oder Rennen. Durch das Calcium in der Muttermilch fehlt dieses Mineral zudem dem eigenen Körper. Weshalb es ein höheres Risiko für Knochenbrüche gibt, falls der Calciummangel nicht, durch beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel, ausglichen wird.

"Die Phase nach der Geburt entscheidet darüber, wie die Spielerin zurückkommt und vor allem auf welchem Level. Hier müssen Vereine und Verbände die optimalen Bedingungen schaffen, damit die Mutter sich wohlfühlt"

Was gibt beim Wiedereinstieg nach der Geburt noch zu beachten?

Ferrer: Nach einer Schwangerschaft verändert sich der Körper für immer. Daran muss sich die Spielerin sicherlich erst gewöhnen. Darunter fällt beispielsweise auch die Art zu rennen, was ebenfalls wiederum zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führen kann. Wichtig ist: Die Phase nach der Geburt entscheidet darüber, wie die Spielerin zurückkommt und vor allem auf welchem Level. Hier müssen Vereine und Verbände die optimalen Bedingungen schaffen, damit die Mutter sich wohlfühlt. Sonst wird die Fußballerin nicht in der bestmöglichen Verfassung auf den Platz zurückkehren.

Es gab in den vergangenen Monaten immer wieder Diskussionen über schwangere Fußballerinnen, die nicht von ihren Vereinen unterstützt worden sind. Was können Vereine, Verbände und Sponsoren für ihre Spielerinnen während der Schwangerschaft tun?

FUSSBALL.DE: Das Wichtigste ist, dass die schwangere Spielerin Sicherheit und die Rückendeckung ihrer Vereine, Verbände und Sponsoren hat. Damit meine ich alle Bereiche – sei es finanziell oder medizinisch. Denn der mentale Stress kann sich, neben der mentalen Gesundheit, auch auf die physische Gesundheit des Körpers auswirken. Außerdem ist es wichtig, dass die Vereine und Verbände bereit sind zu lernen und sich mit dem Thema wirklich auseinandersetzen, um der Spielerin bestmöglich zu helfen.

Glauben Sie, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr schwangere Fußballerinnen mit aktiver Profikarriere als heute geben wird?

Ferrer: Ich glaube, hier spielt die Sicherheit und die Unterstützung von Vereinen und Verbänden ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn die Spielerinnen das Gefühl haben, dass sie auf demselben Level zurückkehren können, wird es sicherlich mehr schwangere Fußballerinnen geben.  Ebenso wenn es in der Außenwahrnehmung immer alltäglicher wird, während der aktiven Karriere schwanger zu werden.

Autor*in
Autor/-in: Selin Yildiz