Inklusionsfußball beim FC Viktoria Köln 1904:
Der FC Viktoria Köln 1904 hat 2023 den Inklusionsfußball in den Verein integriert. Nun wurde dieses Engagement mit dem "Friedrich-Jacobs-Preis" ausgezeichnet. Wie spielen Menschen mit und ohne Handicaps bei dem Klub aus dem rechtsrheinischen Köln zusammen? Und warum profitieren alle Beteiligten davon? Ein Besuch vor Ort.
Es ist eiskalt an diesem Freitagabend. In der kommenden Nacht werden die Temperaturen wieder deutlich in den Minusbereich gehen. Andre ist das egal. Der 34-Jährige schnappt sich einen Ball, dribbelt in den Strafraum, Schuss, Tor, Jubel. Andre hat eine kognitive Beeinträchtigung. Das hindert ihn nicht daran, mindestens zweimal in der Woche mit großer Freude Fußball zu spielen. Andre ist Teil der Ü 19-Inklusionsmannschaft von Viktoria Köln. Menschen mit und ohne Handicap kommen hier zusammen, um gemeinsam Spaß zu haben. Um gemeinsam Fußball zu spielen. Das jüngste Teammitglied ist neun Jahre alt, der älteste Inklusionsfußballer in der Mannschaft ist 62 Jahre alt. Selbstverständlich sind auch Mädchen und Frauen dabei.
"Riesige Begeisterung"
"Bei uns sind alle herzlich willkommen", sagt Denis Kirchdörfer, Leiter der Inklusionsmannschaften. "Die einzige für uns entscheidende Voraussetzung ist, dass die Person Bock auf Fußball hat. Die fußballerischen und körperlichen Voraussetzungen spielen keine Rolle. Bei uns wird jede und jeder integriert, die oder der diese Bedingung erfüllt." Auch aufgrund der großen Nachfrage hat Viktoria Köln inzwischen zwei Mannschaften im Spielbetrieb der FVM Liga inklusiv – eine für diejenigen, die jünger als 19 Jahre sind (U 19) und eine für die älteren (Ü 19).
An diesem frostigen Abend im Januar jagen über 30 Fußballerinnen und Fußballer dem Ball hinterher. Mit großem Engagement. Und mit noch größerer Freude. "Es macht einfach unheimlich viel Spaß, diesen Menschen das Fußballspielen zu ermöglichen", betont Kirchdörfer, der mit sechs Kolleginnen und Kollegen die Einheiten organisiert und leitet. Die Betreuung soll möglichst individuell ausfallen: "Die Dankbarkeit, die da zurückkommt, ist alle Mühen wert. Alle sind mit riesiger Begeisterung dabei. Für viele sind diese beiden Trainingseinheiten der Höhepunkt der Woche."
Kirchdörfer musste sich auch erst etwas an die besonderen Gegebenheiten herantasten. Was funktioniert gut? Was ist womöglich zu kompliziert? Wie sollte eine Trainingseinheit gestaltet sein, damit alle mitkommen? "Wir im Trainerteam haben schnell gemerkt, dass wir die Übungen so einfach wie möglich gestalten müssen. Die Anleitungen müssen klar und deutlich sein. Wir arbeiten viel mit farbigen Hütchen, weil das die Abläufe erleichtert", sagt Kirchdörfer. "Außerdem macht es immer Sinn, wenn diejenigen aus der Gruppe die Übung einmal vormachen, die sie bereits kennen oder die weniger beeinträchtigt sind."
"Vereinsleben wird bereichert"
Lea Schmitz ist auch auf die Anlage gekommen, um die erste Trainingseinheit des neuen Jahres zu verfolgen. Die 22-Jährige verantwortet die Themen Nachhaltigkeit und CSR bei Viktoria Köln. Schmitz sagt: "Dass wir als Viktoria Köln auch Inklusionsfußball anbieten, ist ein totaler Gewinn für den Verein. Nicht nur die Fußballerinnen und Fußballer der Inklusionsteams profitieren hiervon. Auch das Vereinsleben wird durch sie bereichert. Die Inklusionsmannschaften sind kein Projekt. Sie sind vollwertige Mitglieder der Viktoria-Familie. Genauso wie unsere Profis, die in der 3. Liga spielen, unsere Frauenmannschaft, unser eSport-Team und unser Nachwuchs."
Ende des vergangenen Jahres ist der FC Viktoria Köln 1904 für sein inklusives Engagement mit dem Friedrich-Jacobs-Preis ausgezeichnet worden. Diesen vergibt die FDP seit 2010 anlässlich des 100. Geburtstags ihres ehemaligen Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeisters der Stadt Köln. Viktoria-Präsident Holger Kirsch zeigt sich erfreut über diese Wertschätzung: "Ein solcher Erfolg ist gar wichtiger als jeder Sieg auf dem Fußballplatz."
Die Viktoria hat es sich auf die Fahne geschrieben, den größtmöglichen Erfolg anzustreben und eben auch Beiträge zum Gemeinwohl zu leisten. Das ehrenamtliche Engagement ist in der Ausrichtung des Vereins fest verankert. So wurde eine im Profifußball einzigartige Gemeinwohl-Klausel in den Verträgen aufgenommen. Spielerinnen und Spieler, Trainerinnen und Trainer sowie Mitarbeitende verpflichten sich, sich eine Stunde im Monat gesellschaftlich zu betätigen. Das Engagement umfasst dabei drei zentrale Säulen: Nachhaltigkeit, Soziales und Bildung. Eine Vielzahl an Projekten und Aufgaben in den verschiedenen Bereichen soll es jeder und jedem ermöglichen, seinen Beitrag zu leisten.
Zurück zum Training der Inklusionsmannschaft, das bereits weit fortgeschritten ist. Gleich wird noch etwas Torschuss geübt, danach findet das traditionelle Abschlussspiel statt, auf das sich alle besonders freuen. Vorher stellen sich die Fußballerinnen und Fußballer noch für ein gemeinsames Gruppenfoto auf. In diesem Moment fällt noch einmal auf, wie groß die Harmonie zwischen Jung und Alt, Groß und Klein, mit und ohne Handicap ist. Alle helfen sich. Jeder wird an seine Position begleitet. Und dann lachen alle zusammen. Es ist keine aufgesetzte Freude. Selbst das Gruppenbild macht ihnen Spaß.